Die Bezeichnung Freitod geht davon aus, dass sich ein Mensch im Vollbewusstsein seines Geistes und selbstbestimmt tötet.” (vgl. Wikipedia, Abschnitt „Suizid – willentliches Beenden des eigentlichen Lebens”). Es folgt eine geistreiche Untersuchung der paradoxen Begriffe frei, Tod, Bewusstsein, selbstbestimmt und deren Bedeutung im Zusammenhang mit Suizid. Die physiolo- gische Funktionalität des Gehirns ist dabei nicht Gegenstand dieses Artikels und nicht gemeint, wenn von Bewusst-sein gesprochen wird. Die Wikipediaquelle wurde ausgewählt, weil es aufzeigt, was der denkende Mainstream glaubt. Entsteht im vollen Bewusstsein des Geistes, also im bewussten Sein, wirklich ein Impuls, sich selbst-bestimmt, sprich, selbst entscheidend zu töten??? Eigentlich nein. In meinem Fall, rückblickend, konditioniert auf Habenwollen und Partner, konnte ich das nicht erkennen und folgte dem Glaubenssatz:
„Wenn ich nicht kriege, was ich will, bringe ich mich eben um“
Wie in Goethes „Leiden des jungen Werthers“, in dem der Protagonist seinen Körper tötet, weil seine Liebe zu der bereits mit einem anderen Verlobten Frau hoffnungslos ist, wollte auch ich meinem Leben ein Ende setzen, als mich ein Mann verlassen hat. Das Motiv ist alles andere als ein Liebesbeweis. Es ist massiv egoistisch. Ich tue mir und anderen Gewalt an, wenn ich Liebe von ihnen mit Suizid oder der Suizidandrohung erpressen will. Dieses Vorhaben ist in der Tat hoffnungslos, da die Liebe dort nicht zu finden ist. Bewusst und geistreich ist das nicht. Der sogenannte „Freitod” ist lediglich ein Impuls dieser egoistischen Gewalt, eine exakte Entsprechung auf der körperlichen Ebene. Geistreich wäre die Aufmerksamkeit von außen nach innen zu lenken und die Liebe zu erkennen, die ich BIN. Leid ist Geschichte.
Ruhe da oben!
„Wenn es nicht so geht, wie ich es will, bringe ich mich eben um!“ Ich will, dass da oben endlich Ruhe herrscht, dass das Gehirn aufhört, so etwas Schmerzhaftes zu denken, dass es aufhört ständig zu plappern und sich selbst mit Schmerz zu füttern, aufhört sich endlos im Kreise zu drehen, aufhört Angst und Panik zu erzeugen, aufhört – hirntot ist. Denn eine andere Lösung kannte ich bisher nicht! Das, was ich meine, töten zu müssen, ist eben nicht das Leben, das meinen Körper bewegt, diese Flamme in mir, die niemals erlöschen kann, nein, es ist das markerschütternde Rattern im Kopf. Die über-mächtig gewordenen, Selbsthass erzeugenden Gedanken, die immer lauter schreien und alles überschatten, was ich tue und jeden Herzensimpuls übertönen und verstummen lassen sind es, die ich nicht mehr hören will. Wenn ich nicht erkenne, dass ich selbst dieses liebevolle Wesen bin, kann es durchaus sein, dass ein automatischer Impuls zum Suizid auftaucht. Dies ist ein panikgesteuerter, unfreiwilliger Akt, also kein Freitod.
Der Wendepunkt
Sobald Bewusstwerdung geschieht, das liebevolle Wesen erwacht, ist da kein Widerstand, kein eigenes Wollen mehr, das Leiden hört auf und stille Liebe erfüllt mich.
Stirb, bevor du stirbst (Sufiweisheit)
Im Gewahrsein dieses Momentes, ist der Ichwille noch vor dem Körpertod gestorben. Praktiziere ich diese heilige Bewusst-seinsarbeit, dieses Sterbenlassen der Ich-Person bereits zu Lebzeiten, verliert der körperliche Tod seinen Schrecken und seine Endgültigkeit. Ich bin dann wahrhaft frei den physischen Tod zu empfangen, wann er mir bestimmt ist, nicht wann ich ihn bestimme.
Autor: Juliane Kammerl
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