Als Kind lerne ich von Eltern und Lehrern, dass ich für ein gewünschtes Verhalten Liebe und Wertschätzung bekomme. Die Erwachsenen lehren mich mit ihren Reaktionen, wie ich mich richtig verhalte, wie ich richtig bin. Wenn ich mich richtig verhalte, sind sie zugewandt und erfreut, sodass ich mich geliebt fühle. Wenn ich mich falsch verhalte, reagieren sie verärgert und ich werde zurecht- oder zurückgewiesen. In mir wächst die Überzeugung, dass ich richtig und falsch sein kann. Wenn ich etwas falsch gemacht habe, fühle ich mich durch die verärgerten oder traurigen Reaktionen schuldig.
Weil das sehr unangenehm ist, tue ich natürlich lieber das, was von mir erwartet wird. Ich bemühe mich, richtig zu sein. Wenn sich die Erwachsenen freuen oder sie neutral reagieren, scheine ich mich richtig zu verhalten. Dann fühle ich mich angenommen, geliebt. Richtig sein kann bedeuten: freundlich sein, hilfsbereit sein, empathisch sein, fleißig sein, tolerant sein, interessiert sein, gerecht sein etc.
Aus diesem Muster komme ich als erwachsener Mensch nicht raus. Ich habe viele Strategien entwickelt, um richtig zu sein. Automatisiert lebe ich nach diesen Kriterien. Sobald ich denke, etwas könnte falsch gewesen sein, fühle ich mich schuldig und schäme mich dafür.
Erst wenn ich innehalte, bemerke ich, wie Stress erzeugend dieses Denken ist, wie ich mich damit dauerhaft unter Druck setze, mich innerlich anzweifle, kritisiere und verurteile. Selbst wenn äußerlich alles gut scheint, bleibt der innere Zweifel, etwas könnte nicht ganz richtig sein. Wirklich entspannt bin ich in diesem Gedanken, richtig sein zu wollen, nie. Der Selbstzweifel läuft dauerhaft unterschwellig mit. Genauer betrachtet, sehe ich, dass ich meine gelernte Vorstellung von Richtigsein in der Projektion auch auf andere Menschen anwende. Ich verurteile sie, wenn sie sich aus meiner Sicht nicht richtig verhalten. Mein Verstand kategorisiert permanent zwischen richtig und falsch, bei mir und bei anderen.
Die Geburt des unschuldigen Wesens oder die unbefleckte Empfängnis
In der Hinwendung zum Herzen, erkenne ich, wie streng ich mich beurteile und verurteile. Der sich dazwischenschiebende Gedanke, richtig sein zu wollen, ist es, der den Kontakt zum liebenden Herzen verhindert. Die Unschuld ist somit verloren.
Die bewertenden Gedanken in richtig und falsch, trennen mich von der Unschuld und Liebe in mir. Diese Erkenntnis ist der Ausgangspunkt, die Voraussetzung für die Entscheidung, in mein Herz zurückzukehren. Im Kontakt zum Herzen eröffnet sich mir die tiefe Wahrheit, was ich wirklich bin.
Hier bin ich in einem bislang ungewohnten Zustand einer unschuldigen Liebe, die völlig unabhängig von Bewertungen ist, die das Leben freudig und hingebungsvoll empfängt. Unschuld und Liebe sind in mir geboren. Das bin ich eigentlich, ein geistiges liebendes Wesen, das sich freudig dem Leben hingibt, unschuldig, offen, liebend. Hier hört jede Bewertung, Anstrengung und Erwartung an mich und andere auf. Nun wird mir klar, dass ich mich nur in Bezug auf die Wahrheit schuldig mache, wenn ich mit Bewertungen identifiziert bin.
In der christlichen Religion wird dies mit der unbefleckten Empfängnis beschrieben. Die Jungfrau Maria symbolisiert die Unschuld, durch welche Jesus, die reine Liebe, geboren wird. Wenn ich mich nach innen zum Herzen wende und sich kein Gedanke mehr dazwischenschiebt, ist etwas Neues, eine bisher nie wahrgenommene Unschuld und Liebe in mir selbst geboren. Das ist das, was ich eigentlich bin. Von hier aus kann ich alles, was jemand zu mir sagt oder was jemand tut, wertschätzend empfangen. Es beginnt reines Hören und Sehen. Vom liebenden Herzen aus bin ich offen für jeden Ausdruck des Lebens, ohne ihn mit meiner Bewertung zu „beflecken“, ohne einen bewertenden Gedanken dazwischen zu schieben. Was für eine Erleichterung – hier und jetzt in unmittelbarem, liebevollem Kontakt mit dem, was ist, zu sein.
Autor: Daniela Schuchardt
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